Shimmy- Lenkerflattern- was ist das? Abhilfe möglich?Geschrieben von Alfred Vorbeck in| Trackback (1)
Habe mir heute Nachmittag die Zeit genommen (weils mir Spaß macht), mal wieder praktische Tests durchzuführen, weil entsprechende Fragen auftauchten, die sich um das Thema Shimmy- oder zu Deutsch "Lenkerflattern" drehten. Von vornherein ist dieser Effekt vom Pendeln und vom Lenkerschlagen zu unterscheiden- Effekte, die bei höheren Geschwindigkeiten auftreten und tatsächlich deutlich gefährlicher werden können. Wenngleich die Ursachen durchaus ähnlich sind. Getestet: Triumph Tiger 800 on road Triumph Explorer Spoke (Speiche) Yamaha XJ 900 Diversion -Kardanmaschine, eigener Totalumbau. Vorher erprobt die Triumph Explorer/Gußrad, die ich bis 2013 gefahren habe. Allgemeines: Der Shimmy-Effekt ist unter Fachleuten bestens bekannt- hat aber leider verschiedene Ursachen. Zunächst einmal ist dieser Effekt in der Regel völlig ungefährlich. Hauptgrund dafür ist der Kompromiss, den die Ingenieure zwischen stabilem Geradeauslauf und Handlichkeit schließen müssen. D.h. ein möglichst steiler Lenkkopf führt zu Tophandlichkeit- aber instabilem Geradeauslauf. Bei älteren Maschinen kam ein häufig nicht vollkommen verwindungssteifer Rahmen und eine zu dünne (instabile) Telegabel dazu und verstärkte die Probleme. Hauptsächlich ist das Vorderrad und seine Bereifung sowie die Vorderadführung zu betrachten. Ins Detail gehend passiert folgendes: Das Vorderrad dreht sich nach dem Anfahren und baut so Kreiselkräfte auf. Wenn ein Kind seinen Spielreifen über die Straße rollt, kann man gut sehen, was Kreiselkräfte bewirken- sie bewirken, dass der Reifen mit höher werdender Geschwindigkeit ohne Trudeln geradeaus läuft.Trifft der Reifen auf einen Widerstand, wird er kurzzeitig "wackeln" -dann aber unbeirrt weiter laufen. Auch ein Fahrradfahrer erfährt dieses scheinbare Phänomen- langsames Anfahren-Wackeln -schneller werdend-Stabilität baut sich auf. Das bewirken die Kreiselkräfte. Ähnliches in abgewandelter Form macht der alte Brummkreisel. Auf das Motorrad übertragen gewinnen wir Stabilität bis ca. 50 km/h durch die Drehung von Vorder- und Hinterrad. Dann passiert etwas anderes- es bauen sich so große Rollwiderstände zwischen Reifen- und Fahrbahn auf, dass die Kreiselkräfte zum Teil aufgehoben werden. Das wirkt, als wolle eine Hand das Rad nach hinten drehen. All das geschieht im steten Wechsel der einwirkenden Kräfte innerhalb von Sekundenbruchteilen immer wieder- diesen Vorgang nennt man Flattern. Wenn nun die Radlager, das Lenkungslager, das Spiel in der Telegabel, lange Federwege usw. nicht genau abgestimmt sind, genügen kleinste Anregungen des Vorderrades durch Fahrbahnunebenheiten usw. um den "Flattereffekt" einzuleiten oder zu steigern. Die Hände am Lenker (Reiseenduro-breiter Lenker) sind nichts anderes als die verstärkende Hebelkraft, die entgegengesetzt wirkt, wenn das Rad nach hinten wegdrehen will. Steigt die Geschwindigkeit weiter bis auf 80-90 Km/h überwiegen wieder die am Reifenumfang auftretenden Kreiselkräfte den Rollwiderstand- das Motorrad rollt auch freihändig vollkommen stabil. Eine Bestätigung findet auch, wer einen Anhänger mit abgesenktem Bugrad schiebt- das Rad will sofort nach hinten wegdrehen---gleiches bei einem Einkaufswagen... Auf den Punkt: Ein prüfender Blick auf die Achsaufnahme der Tiger 800 und die der Explorer zeigt, wo es lang geht. Bei der Tiger ist die Achsaufnahme vor den Aufstandspunkt der Gabel gesetzt und nicht -wie bei der Explorer- in einer Linie mit der Gabel. Allein das ist schon ein Schritt in Richtung stabiler Geradeauslauf (ich spare mir die Erklärung zum Begriff "Nachlauf"). Zu verschmerzender Nachteil gegenüber der Explorer ist der größere Wendekreis (der sich nur im Schiebebetrieb, beim Wenden auf der Stelle, deutlich bemerkbar macht- d.h., da, wo ich mit der Explorer gerade noch herum komme, muss ich mit der Tiger 800 noch einmal ansetzen). Die Yamaha wiederrum ist genauso schwer wie die Explorer, kommt aber nach Umbau genauso gut ums Eck und läuft dennoch stur geradeaus. Sie hat Straßenreifen (Pilot Road 2), Gußräder- vor allem aber ein nachgerüstetes Schrägrollenlager im Lenkkopf. Das war vor Jahrzehnten immer der wichtigste erste Schritt, um Ruhe ins Fahrwerk zu bringen- weil Kugellager eine viel zu geringe Auflagefläche haben. Bekannt waren u.a. Rollen-Lager des Emil Schwarz. Erst dann kam der Anbau eines Lenkungsdämpfers. Auch stärkere Gabelbrücken (Klemmfäuste) brachten von Fall zu Fall Verbesserungen. Bei diesen Maßnahmen ging es aber eher um das Fahrverhalten bei höheren Geschwindigkeiten- ein Problem insbesondere in Deutschland mit seinen Autobahnen. Auch große und sonst als absolut fähige Motorradhersteller bekannte Produzenten -wie z.B. Honda und BMW hatten bei einigen Modellen (Goldwing, European, auch die neuere GS Lc)- erhebliche Probleme bis in die Jetztzeit hinein. Details -Speichenfelgen-Bereifung sind grundsätzlich elastischer - und daher an Enduro/Trialmaschinen zu finden. An Maschinen für die Straße ist es hauptsächlich der Wunsch nach schöner Optik- weniger eine echte Notwendigkeit. Technisch gesehen bereiten sie Probleme (z.B. Schlauchlosreifen, Gewicht, Reinigung, Stabilität, Zentrierung). Der Trend geht bei den großen Reiseenduros wie der Explorer, der BMW GS und entsprechenden Konkurrenten aus optischen Gründen zum Speichenrad -obwohl diese Maschinen selten oder nie im Gelände bewegt werden, wo das Sinn machen könnte. Sie sind zudem mit einer relativ schmalen Radial-Bereifung (insbesondere vorn) versehen, die grober profiliert sind, als normale Straßenreifen. Das macht die Maschinen trotz ihres Gewichts wesentlich agiler -sie gehen besser ums Eck. Genau deshalb aber können sie -diese Reifen- auch die Ursache für die Flatterneigung setzen. Kommt dann noch Spiel in der Telegabel, ein nicht präzise eingestelltes Lenkkopflager oder/und ungleichmäßig abgefahrenes Profil oder falscher Luftdruck hinzu, haben wir spätestens dann den "Salat". In den Jahren 2013 und -14 sind mir auch mehrfach Fälle von Höhenschlag im neuen Reifen und öfter dynamische Unwuchten von Felge/Reifen untergekommen, die sich beim Auswuchten auf einem Wuchtbock nicht feststellen lassen. Weitere Ursachen können in falscher Beladung (insbesondere Topcase) oder auch falsch eingestellten Federbeinen liegen. Selbst zu weite Bekleidung kann von Fall zu Fall Einfluß haben. Fahrergebnis: Meine Explorer Spoke (mit Speichenrädern) hat den Shimmy-Effekt zwischen 60 und knapp 90 km/h bei freihändigem Fahren, trotz penibelster dynamischer Wuchtung der Räder (mache ich selbst) einem exakt eingestellten Lenkkopflager und einer bei Wilbers fein bearbeiteten Telegabel. Aber: Ein kleiner Finger auf dem Lenker genügt schon- und nichts rührt sich mehr. Das wäre noch als normal zu bezeichnen... das Flattern kann nur auftreten, wenn man die Hände vom Lenker nimmt -sonst muss nach anderen Ursachen gesucht werden. Die Tiger 800 bewegt sich nicht einen mm- Grund Achsaufnahme und Gußfelge in Verbindung mit Pirelli Scorpion. Die Yamaha -alt, brav, stabil mit Schrägrollen-Lenkungslager, Wilbers Gabel und voll einstellbarem Federbein hinten und Road 2 -Bereifung rührt sich ebenso wenig -macht aber klar, dass es nur ein kleiner Schritt wäre- sie wird quasi "Leicht". Die Explorer mit Gußrädern und Metzeler Exp lief stur geradeaus- hat mich dafür mit anderen Mängeln fast in den Wahnsinn getrieben. Ursachen für den Shimmy-Effekt sind meines Erachtens bei der Triumph Explorer in erster Linie die Speichenfelgen in Verbindung mit den Reifen Metzeler Tourance next. Entscheidend scheint mir die nicht gelungene Kombination- ein anderer Reifen mit stabileren Seitenwänden könnte Änderung bringen. Dennoch ändere ich bei meiner Speichen-Explorer nichts, denn bezüglich der Wendigkeit auf Gebirgssträßchen und Holperstrecken überzeugt die Kiste. Auch der Aufbau der Speichenfelge, deren Speichen an einem Mittelsteg in der Felge angelenkt sind, erweckt nicht mein Vertrauen. Da geht allein durch die Kröpfung der Speiche um 90 grad Stabilität verloren. Was tun: Auf jeden Fall ausschließen, dass ein schlimmerer Fehler vorliegt (Händler/Radwechsel nötigenfalls mit ausgeliehenem Rad auf Gußfelgenbasis). Dann fällt mir noch ein: Der Verdacht, die Felgen seien unrund usw. kam mir auch. Nachgemessen (in einer Vorrichtung mit Meßuhr) - falsch- völlig in Ordnung. Zuletzt: Der Metzeler der Erstbereifung hatte einen massiven Höhenschlag, der sich auch auf meiner teuren Wuchtmaschine nicht entlarven ließ......Den Schlag habe ich bei eingebautem Rad mit einem senkrecht vor dem Rad gehaltenen Lot messen können. Insider bestatigten mir dann (vor über einem Jahr) dass es tatsächlich eine Lieferung Reifen mit diesem Problem gab- gewechselt wurde auf Garantie. Zu guter Letzt: Ich bleibe bei meiner eigenen Maschine auf Ursachensuche und bereife bei nächster Gelegenheit um- nach Ablauf der Garantie werde ich nötigenfalls auch ein Schrägrollenlager im Lenkkopf verbauen.
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danke für den klasse
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was soll ich viel ... außer
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aber [...]
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gehabt, nämlich bei 8000
[...]
zu 10.08.2015, 14:25 Uhr
Hi Fredi
Schöne
Alternative zum sonst immer
im September von uns
besuchten Südfrankreich,
werde ich mir mal mer [...]
zu 06.08.2015, 11:45 Uhr
Hallo Alfred
Mir ist gesagt
worden das ich mein navi tt.
An ZündungsStrom anschließen
soll kannst du mir viellei
[...]
zu 01.06.2015, 14:48 Uhr
Super Seite! Weiter
so.
Grüße aus dem schönen
Niedersachen.
zu 26.05.2015, 17:38 Uhr
Hallo,
habe Tyre
installiert, es wird aber
keine Karte
angezeigt.
Bitte um Hilfe.
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