20.08.2009 An- und Umbauten an Motorrädern/Recht-Stand 2020Geschrieben von Alfred Vorbeck in Recht, TechnikKommentare (0) | Trackbacks (0) Technik und RechtAnbau oder Tausch von Zubehör- und Fahrzeugteilen an Motorrädern
Die nachfolgende Darstellung richtet sich an den interessierten Motorradfahrer, der alles „richtig“ machen möchte. Sie geht deshalb nicht in die letzte Verästelung einer juristischen Aufbereitung - da gebe ich nötigenfalls Antworten auf Einzelanfrage.Zunächst gilt ein wichtiger Grundsatz:Nur menschliches Handeln, sprich Tausch, Einbau, Abbau, oder Verändern im engeren Sinn (z.B. verbiegen) kann Folgen hinsichtlich der Betriebserlaubnis haben. Unfallfolgen am Motorrad sind dafür nicht von Bedeutung. Die Rede ist hier ferner nur von Fahrzeugen, die eine Betriebserlaubnis brauchen – in unserem Fall dem Motorrad.
Allgemein bekommt
der Hersteller oder Importeur eines Motorrades nach
umfangreichen Tests eine ABE (Allgemeine
Betriebserlaubnis), die für eine ganze
Fahrzeugserie gültig ist und vom KBA
(Kraftfahrt-Bundesamt) ausgestellt wird. Für
Einzelfälle („Edelbastler“ baut aus
verschiedenen Komponenten sein Motorrad) gibt es die
Einzelbetriebserlaubnis beim Sachverständigen. Der
Nachweis der Betriebserlaubnis ist der Fahrzeugbrief (seit
einiger Zeit „Zulassungsbescheinigung Teil
II“).Dazu gehört seit auch das sogannte COC-Papier -das Zertifikat der EU, in welchem weitere Details (z.B. Motor- und Fahrgestell-Nr.) angegeben sind und in dem die Übereinstimmung mit den europäischen Vorschriften dokumentiert wird.
Ist
dieses Papier erstellt, darf nur noch der Hersteller selbst
im engen Rahmen Veränderungen in der Serie
einfließen lassen – oder die Erlaubnis
erteilen, dass herstellerfremde Teile eingebaut oder
verwendet werden. Davon gibt es zahlreiche Ausnahmen, die
ich im Wesentlichen nennen will. Die häufigsten
Änderungswünsche bei Motorrädern beziehen
sich auf Reifen, Auspuffanlagen und Lenker. Eine
Sonderrolle spielen dabei wiederum die Reifen, weil diese
in Deutschland häufig nicht nur mit ihrer Dimension,
sondern zusätzlich mit Markenbindung eingetragen
werden. Leider findet sich in der neuen Zulassungsbescheinigung trotz Markenbindung oft nur dieser- oder ein ähnlicher Verweis "siehe Betriebserlaubnis." Das macht im Zweifelsfall eine Anfrage z.B. bei TüV oder Dekra erforderlich. Gelgentlich findet man aber auch bei den Fahrzeugherstellern weitere zulässige Reifen/Reifengrößen. Reifen
Europaweit wurde
bei Erteilung der BE (Allgemeine Betriebserlaubnis)
für Fahrzeuge die Markenbindung bei Reifen aus
Wettbewerbsgründen aufgehoben. Deutschland backt
eigene Brötchen – meist nur bei
Motorrädern. Hier wird vielfach neben der
Reifendimension auch die Marke eingetragen.
Verantwortlich für die Erteilung der BE ist das KBA
(Kraftfahrt-Bundesamt). Damit ist die Reifenmarke
rechtlich gesehen Bestandteil der BE. Wird sie einfach
so geändert, kommt es nach Auffassung vieler
Experten zum Erlöschen der Betriebserlaubnis des
Fahrzeuges. Seit der Änderung des § 19 Abs.2
und 3 StVZO (Straßenverkehrs-Zulassungsordnung)
geht der Gesetzgeber aber davon aus, dass durch eine
Änderung (also z.B. dem Wechsel der
Reifenmarke) eine Gefährdung für andere
Verkehrsteilnehmer zu erwarten sein muss. Angesichts des heutigen technischen Standarts in der Großserienfertigung sind zwar nach wie vor deutliche Unterschiede der verschiedenen Reifenmarken hinsichtlich ihres Laufverhaltens zubejahen, jedoch keinesfalls ist "eine Gefährdung zu erwarten". Wäre dies so, dürfte der Reifen des betreffenden Herstellers für ein Kraftrad erst gar nicht auf den Markt kommen. Es
gibt einen Katalog des Bundesministers für Verkehr,
in dem beispielhaft gefährlichen Änderungen
aufgezeigt werden. Ich bin ganz klar der Meinung, dass
beim Reifen-Markenwechsel mit zweierlei Maß
gemessen wird, denn heute gilt grundsätzlich bei der
Produktion von Pkw- und Motorradreifen, dass die
Qualitätsunterschiede so nah beieinander liegen,
dass weder bei Pkw noch bei Motorrädern ein
Markenwechsel bei den Reifen die Betriebserlaubnis
berührt. Bei Pkw erfolgt tatsächlich keine
Markenbindung, von wenigen Ausnahmen abgesehen.
Motorräder werden hier sehr häufig anders
behandelt. Aber eines ist klar zu stellen: Der Verwendung von Reifen zweier unterschiedlicher Hersteller auf Vorder- und Hinterrad rede ich nicht das Wort-dazu sind die Konstruktionen der Karkassen bei sonst gleicher Größe oft zu stark abweichend. Auch wenn mancher Prüfer argumentiert, ein Motorrad habe nur zwei Räder. Das Ergebnis bleibt gleich – ob ich nun vier oder zwei fehlerhaft konstruierte oder ungeeignete Reifen habe. Da ist das Einfahren von neuen zugelassenen Reifen gefährlicher, als der Markenwechsel. Was tun:Leider kann ich die Rechtlage nicht ändern, aber ich kann Hinweise auf eine rechtskonforme Handlungsweise geben.
Im
vorliegenden Fall kommt eine ganze Paragraphenkette zur
Anwendung, beginnend mit Der amtlich anerkannte Sachverständige kann in einem Einzelgutachten die Betriebserlaubnis um die „neue“ Reifenmarke erweitern. Kostet nach Arbeitsumfang 30-50 Euro. Wird z.B. von einem gleichartigen Modell der Brief vorgelegt, in dem der Reifen eingetragen ist, wird das die Entscheidung erleichtern. Eine größere Prüfstelle wird unter Umständen über entsprechende Datensammlungen verfügen, so dass sie daran feststellen kann, was zulässig ist. Die gängige Möglichkeit ist die Freigabe einer anderen Reifenmarke oder einer anderen Reifendimension– die allerdings in zwei verschiedenen Versionen existiert. Mit der Freigabe durch den Motorradhersteller oder Importeur hat man die Freifahrkarte. Der Reifen darf auch ohne Eintragung gefahren werden, denn der Hersteller hat in gewissem Umfang das Recht, Veränderungen in die an ihn vergebene ABE aufzunehmen. Die Freigabebescheinigung würde ich mitführen – erspart Ärger. Freigabe 2 kommt vom Reifenhersteller. Die ist oft nur gültig, wenn ein autorisierter Händler die Reifen aufgezogen hat – bzw. er seinen Stempel auf das Papier gedrückt hat. Die in/ab 2020 gültige Regelung des BMV für Reifenhersteller sieht dies nicht mehr vor. Für den Übergang bis 2025 ein Beispiel: Ab 2020 dürfen die Reifenhersteller keine neuen Freigaben für geänderte Reifengrößen mehr aushändigen. Eine abweichende Reifengröße ist dann eintragungspflichtig. Es muss bei TÜV oder Dekra begutachtet und eingetragen werden.
Die Regelung gilt für alle Reifen ab Herstellungsdatum 2020 und ab dem Jahr 2025 für alle Reifen. Anderenfalls erlischt der Betriebserlaubnis.
Ich will
hier für Nichts und Niemanden Reklame machen. Dennoch
weise ich darauf hin, dass neben dem TüV seit länger Zeit auch die DEKRA bei Betriebserlaubnisfragen
weiterhelfen kann und darf. Allerdings gibt es bei den Abnahmebefugnissen zwischen Deutschland West- und Ost bei den Organisationen hinsichtlich der Betriebserlaubnis noch Unterschiede.
Auch die letzte Möglichkeit soll erwähnt werden. Dazu muss die Bauartgenehmigung kurz erklärt werden. Sie ist eine deutsche Eigenart, die in § 22a StVZO geregelt wird und hauptsächlich Scheiben, Beleuchtungseinrichtungen aller Art und Verbindungseinrichtungen (Anhängerkupplungen) betrifft. Motorräder sind betroffen, weil sie sowohl Scheiben (Verkleidung) als auch vielfältige Beleuchtungseinrichtungen haben. Diese Bauartgenehmigung gilt als erteilt, wenn z.B. der Scheinwerfer oder die Verkleidungsscheibe über das E1 usw. oder über eine Wellenlinie (rein deutsche Vorgabe) verfügt. Auch Anhängerkupplungen an Motorrädern sind erfaßt. Eine Absurdität am Rande: Jedes der in § 22a StVZO genannten Fahrzeugteile, auch an solchen Fahrzeugen, die nicht betrieberlaubnispflichtig sind, z.B. die Beleuchtung und rückstrahlende Einrichtungen an Fahrrädern, unterliegen dieser Verpflichtung. Wenn das Zeichen auf einem bauartgenehmigungspflichtigen Teil vorhanden ist, dann darf es mit wenigen Ausnahmen (teilweise Anhängerkupplungen) ohne Prüfung durch den Sachverständigen verwendet werden. Die für Veränderungen nur schwer zu interpretierende Vorschrift, die bei z.B. Lenkern und Fußrasten Anwendung finden kann, ist die Nr. 2 des § 19.Abs. 2 StVZO. Dort heißt es: "Veränderungen des Fahrzeuges, die eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer erwarten lassen" (führen zum Erlöschen der BE). Einfach ausgedrückt: Es muß eine aktive und zielgerichtete menschliche Handlung = Eingriff am Fahrzeug erfolgen, der - das ist der 2te, schwer zu beschreibende Zustand- eine Gefahr erwarten läßt. Im Zweifelsfall untersucht ein Sachverständiger, ob durch den Eingriff eine derartige Gefahrensituation herufbeschworen werden kann -oder nicht. Praktisches Beispiel: Der Motorradlenker, die Verkleidung, die Windschutzscheibe. Hier könnte etwa ein Eigenbau, die Verwendung einer nicht geprüften Scheibe usw. dazu führen, dass eine Gefahr zu erwarten wäre. Anders begründet- wann ist dieser Gefahrengrad nach einer Änderung nicht gegeben? Grundsätzlich z.B. dann, wenn ein Motorradlenker an der Sonderausführung eines bestimmten Motorradtyps verwendet wird, an der Basisausstatung aber nicht. Dann ist natürlich naheliegend keine Gefahr zu erwarten, wenn man diesen Lenker an die Basesversion anbaut. Folge könnte je nach Auslegung eine Mängelkarte sein, in der die Überprüfung des Anbaus verlangt wird (man denke an die Verlegung von Kabeln, Seilzügen oder Bremsleitungen). Zusammenfassung:
Na, alle verwirrt? oder erkannt wie`s geht?Fehlt noch das Versicherungsrecht:In allen vorgenannten Fällen erlischt der Versicherungsschutz des Fahrzeuges nicht - auch dann nicht, wenn man der vorgeschriebenen Eintragungspflicht nicht nachgekommen ist. Selbst dann, wenn es durch fahrlässige Einbaufehler zu einem Unfall kommt, zahlt die Versicherung. Aber in der Regel wird sich der Versicherer auf die Verletzung sogenannter Obliegenheitspflichten berufen, das heißt, dass er den "Schuldigen" in Regress nehmen kann. Im Klartext: Die Versicherung fordert nach der Schadenabwicklung ihr Geld teilweise zurück. Teilweise deshalb, weil die Höhe dieser Regressnahme auf 5000,- € beschränkt ist. Selbst wenn der eingetretene Schaden höher ist, bleibt es bei dieser Einschränkung. Tags für diesen Artikel: ABE, Bauartgenehmigung, E1, Freigabe für Reifen, Gutachten, StVZO, Teilegutachten Trackbacks
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zu 28.02.2021, 21:37 Uhr
Wirklich toll erklärt, danke f
ür die Aufklärung!!!!
zu 23.02.2021, 17:56 Uhr
Fredis Touren- und Schrauberti
pps
zu 18.02.2021, 14:01 Uhr
Fredis Touren- und Schrauberti
pps
zu 06.02.2021, 14:40 Uhr
Triumph Tiger Explorer - Fahr-
und Erfahrungsbericht - Fredi
s Touren- und Schraubertipps
zu 22.11.2020, 13:23 Uhr
zu 13.10.2020, 18:55 Uhr
Hi,ich fahre die Tiger auch un
d bin begeistert. Ich möchte m
ich herzlich für den TIP mit d
er Abpolsterung des Fahr [...]
zu 19.05.2020, 10:36 Uhr
Danke für diesen tollen Blog.
War sehr interessant zu lesen.
zu 05.04.2020, 15:44 Uhr
Hallo Fredi, ich habe gerade d
en Bericht über den Anlasserta
usch u. die Probleme dazu auf
Korsika gelesen. Wenn du [...]
zu 21.12.2019, 10:46 Uhr
Hallo Herr Vorbeck,
ich habe
ihren Blog bei Tigerhome geseh
en und mich jetzt mal hier umg
eschaut.
Besonders inte [...]
zu 17.02.2019, 18:03 Uhr
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